Wochenbrief #2 – Die Antarktis: Endlos weit und immer anders!

10.12. – 16.12.2012

von Erich

 

Die zweite Woche in Kohnen. Es ist Routine eingekehrt auf 75 Grad Süd, 0 Grad W. Obwohl die Sonne 24 Stunden lang scheint, empfinde ich die Tage kurz – Arbeit wartet überall.

Kohnen Station um Mitternacht

Vor allem waren es in dieser Woche Messungen der elektrischen Eigenschaften von Firn und Eisbohrkernen, die viel Zeit in Anspruch genommen haben. Die Messapparatur steht  im Science Trench, 10m unter der Oberfläche, -36 Grad Lufttemperatur. Trotz dicker Polaranoraks und Daunenhosen – nach ein paar Stunden dort unten ist fast jeder bis auf die Knochen durchgefroren. Da ist die Freude bei dieser Tätigkeit doch manchmal etwas begrenzt.

Und kein Ende in Sicht! Der Bohrtrupp mit Johannes, Katja und Tobias steht bei wirklich jedem Wetter bis spät abends draußen. Ständig versorgen sie uns mit neuen Kernen. Unermüdlich scheinen sie zu sein, wenn es um das Heben der wertvollen Eiskerne geht. Mittlerweile konnten schon mehr als 300 Meter erbohrt werden. Das ist für die kurze Zeit schon eine schöne Menge Eis.

DEP Messbank im Trench

DEP Messbank im Trench

Überall im Camp laufen die Arbeiten im eingespielten Team ab. Schneeproben nehmen, Messungen der Schneeeigenschaften wie Härte und spezifischer Oberfläche, Wartungen des Generators, alltägliche Putz- und Kocharbeiten, immer mal wieder nachsehen, ob es eine neue Email gibt. Nebenbei wächst unser kleines Dorf auch noch zusehends an. Mitte der Woche ist das Polarforschungsflugzeug Polar 6 mit einem weiteren Team von 6 Personen eingetroffen. Überall werden neue Zelte aufgebaut, Fahnen zur Markierung von Mess- und Bohrpunkten gesteckt, Stromleitungen und Netzwerkkabel verlegt.

Zeltstadt Kohnen

Zeltstadt Kohnen

Dank einer unglaublich guten Logistik kann sogar ein defekter Herd innerhalb von wenigen Tagen hier, am Ende der Welt, gegen einen neues Gerät getauscht werden. Sehr zur Freude unserer Köchin Corinna, die uns seitdem täglich mit frischen Brötchen beglücken kann.

Was für ein Unterschied zu meiner ersten Reise in die Antarktis vor fast 30 Jahren. Damals konnte die Neumayer-Station nur ein einziges Mal im Jahr von dem Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Instituts, Polarstern, versorgt werden. Danach gab es erst 12 Monate später wieder eine Chance, Ersatzteile, Lebensmittel oder andere wichtige Utensilien zu bestellen.

Hier dagegen landet alle paar Tage ein Flugzeug!  Was ungeheuer praktisch ist, aber die Romantik der 80er Jahre, nach dem Bau der ersten deutschen Überwinterungsstation, Neumeyer 1, ist nun wohl doch zum Teil vorbei.

Endlose Weite der Antarktis

Endlose Weite der Antarktis

Und trotzdem, trotz allen Fortschritts – es ist alles andere als gewöhnlich hier in der Tiefe der Antarktis.

Der Blick, der sich einem öffnet, wenn man aus dem Zelt schaut ist einfach unvergleichlich. Fast jeden Tag wolkenloser, tiefblauer  Himmel, endlose Weite, das Wissen, hier im Umkreis von hunderten von Kilometern allein zu sein. Unberührtes Weiß bis zum Südpol.

Wenn auch nur für begrenzte Zeit, hier leben zu dürfen ist dann schon irgendwie unbezahlbar.

Vor wenigen Tagen frühmorgens dann, nach einem trüben, grauen Tag mit Schneefall, ein spektakuläres Halo. Farbige Sonnenspiegelungen überall, dazu „Diamond Dust“, winzigste Eiskristalle die bei Windstille funkelnd im Sonnenlicht herabrieseln.

Obwohl ich nun schon zum vierten Mal in der Antarktis bin, hatte ich das noch nie gesehen. Das war wirklich ein sehr beeindruckendes Erlebnis, dass ich sicherlich nicht so schnell vergessen werde.

Halo bei Kohnen

Halo bei Kohnen

Manche Menschen, die einmal in dieser weit entfernten Ecke unseres Planeten leben und arbeiten konnten, zieht es oftmals immer wieder hierher. Wahrscheinlich sind nicht zuletzt solche Eindrücke genau der Grund dafür.

Was allerdings andere Lebewesen veranlasst, den weiten Weg hierher auf sich zu nehmen, weiß ich nicht. Schneesturmvögel zum Beispiel. Gleich zweimal schon hatten wir Besuch von den schneeweißen Vögeln. Einmal zogen sie sogar als Pärchen ihre Kreise um die Station. Was mag diese  eleganten Segler veranlassen, von der Küste aufzubrechen und hunderte von Kilometern über das Eis, hierher zu fliegen? Ob sie je den Weg zurück zum Meer finden werden?  Das ist wohl eher ungewiss.

Erst zwei Wochen sind vergangen und es steht noch eine lange Zeit im Camp vor uns. Die letzten von unserem Team werden mit Sicherheit in spätestens acht Wochen wieder aufbrechen.

Eine abschließende Transporttraverse an den Kottas-Bergen vorbei (darum beneide ich sie!) bis nach Neumayer ist schon lange geplant. Alle anderen werden wieder mit dem Flugzeug ihre Rückreise antreten.

Mit vielen unvergesslichen Eindrücken, neuen Freundschaften und natürlich vielen  Forschungsergebnissen, werden wir dann sicherlich wieder wohlbehalten, froh und munter nach Hause kommen.

Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit.

Sturmvogel

Sturmvogel