Wochenbrief #6 – Kunterbuntes Leben in der Antarktis

06.01.2013 – 13.01.2013

von Tobias

 

Die zurückliegende Woche schloss genauso ab wie sie begonnen hatte: mit regem Flugbetrieb rund um die Kohnen-Station. Zwischendurch hüllten uns dichte Wolken in ein einheitliches Weiß, was sowohl das Fliegen als auch manches Arbeiten im Schnee unmöglich machte.

Kohnen Station bei schlechter Sicht

Kohnen Station bei schlechter Sicht

Doch nun der Reihe nach:

Das Forschungsflugzeug Polar 6 nutzte zu Wochenbeginn das gute Wetter zu einem letzten Messflug, bevor es für die Hälfte der Crew auf die Heimreise ging.

Den Rückflug konnten wir über Funk mitverfolgen. Sie überflogen die Transporttraverse etwa 30 km vor der Kohnen-Station und konnten spontan ein paar Fotos der Pistenbullies mit den schwer beladenen Schlitten machen. Nach der Landung von Polar 6 konnten wir die Bilder schon in der Messe bestaunen.

Die Traverse aufgenommen von Polar 6

Die Traverse aufgenommen von Polar 6

750 km und knapp 3000 Höhenmeter mussten die dringend benötigten Lebensmittel, Treibstoff und wissenschaftliche Ausrüstung von der Neumayer-Station zu uns zurücklegen. Neben eingefrorenen Lebensmitteln vom Vorjahr kamen wir in den Wochen vorher in den Genuss von regelmäßig eingeflogener Ware aus Kapstadt, auch wenn dieser Transportweg etwa die Milch zu einem kostbaren Gut werden ließ.

Dafür wurde aber an anderer Stelle etwas gespart. Corinna, unsere Köchin, zeigte uns eines Abends das Backpapier, das sie seit Saisonbeginn täglich verwendet. Es gibt bereits Überlegungen, wo wir das entstandene Pergament-Papier ausstellen könnten. Ein Appell an alle, Backpapier nicht nach der ersten Benutzung gleich wegzuschmeißen!

Johannes bestaunt das vielfach wiederverwendete Backpapier

Johannes bestaunt das vielfach wiederverwendete Backpapier

Nach Ankunft der Traverse begann auch gleich die große Lebensmittel-Inventur. Täglich für 1,5 Stunden knüpfe ich mir dabei zusammen mit Michael und Corinna die Lebensmittel und sonstigen Verbrauchsartikel vom Vorjahr und die neu eingetroffenen vor, um die Bestellung für nächstes Jahr planen zu können. Es ist schon beeindruckend, welch große Mengen im Trench bei etwa -40°C lagern und keine leichte Aufgabe Ordnung in all die Vorräte zu bringen. Aber Stück für Stück kommen wir voran.

Michael und Corinna bei der Inventur der tiefgekühlten Lebensmittel

Michael und Corinna bei der Inventur der tiefgekühlten Lebensmittel

Kurz bevor Mitte der Woche die dicken Wolken kamen, schafften es noch zwei VIPs, Vertreter des AWI und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu uns. Sie konnten sich einen Einblick in unsere Arbeit verschaffen und die kulinarischen Köstlichkeiten des Antarktischen Hochplateaus genießen.

Sehr viel wurde in den zurückliegenden Wochen bereits geleistet, was etwa daran zu erkennen ist, dass die Lagerplätze für mit Proben/Kernen gefüllte Eiskernkisten immer knapper werden. Bei dem Gewicht der Kisten kein Kinderspiel auch hier Ordnung zu halten.

Knapp 8 Tonnen gefüllter Eiskernkisten warten im Trench auf ihre Reise nach Deutschland

Knapp 8 Tonnen gefüllter Eiskernkisten warten im Trench auf ihre Reise nach Deutschland

Einige der gewonnenen Daten konnten bereits vor Ort ausgewertet werden. Um in Ruhe arbeiten zu können, wurde zu Beginn der Saison hierfür ein eigenes Zelt ausgebaut, in dem nach und nach ein kleines Rechenzentrum entstand.

Eigentlich hatte ich geplant, die Mikrostruktur (d.h. Körner und Korngrenzen) eines 200 m Eisbohrkerns hier vor Ort zu untersuchen, die schwierig zu kontrollierenden, stark schwankenden klimatischen Bedingungen stellten sich jedoch als zu große Hürde heraus. Anhand eines kleinen Datensatzes konnte ich das hiesige Sublimationsverhalten der Probenoberflächen quantitativ auswerten. Zukünftiges Ziel wird es sein eine Methode zu entwickeln, mit der ein klar definiertes, vergleichbares Sublimationsverhalten erreicht werden kann.  Aber was wäre die Wissenschaft ohne immer neue Herausforderungen?

Da es mit der Mikrostruktur nicht so wie geplant läuft, habe ich von Thomas die Messung der dielektrischen Eigenschaften der Eiskerne (DEP) übernommen.

Thomas und Tobias im Rechner-Zelt beim Datenauswerten

Thomas und Tobias im Rechner-Zelt beim Datenauswerten

Mit den dicken Wolken kam auch der Wind und starker Drift. Überall dort, wo der Mensch dem Wind etwas in den Weg stellt, spielt der Wind mit uns das gleiche Spiel. Dies war besonders zwischen den Biwakschachteln der Fall, wo sich der Schnee meterhoch türmte.

Doch Mutter Natur geht dabei noch besonders tückisch vor: sie färbt den Himmel in der gleichen Farbe wie den Schnee. Auf manchen Schneewall wurden wir daher nur auf unsanfte Art aufmerksam. Doch glücklicherweise gibt es seit Ankunft der Traverse einige PS-starke Pistenbullies, die die Schneeoberfläche innerhalb kürzester Zeit wieder ebnen konnten, als der Himmel aufklarte.

Meterhoch türmte sich der Schnee während dem Drift zwischen den Biwakschachteln

Meterhoch türmte sich der Schnee während dem Drift zwischen den Biwakschachteln

Für die Hälfte der bisherigen Cofi-Crew hieß es Abschied nehmen von dem Umfeld, an das wir uns in den letzten Wochen schon so sehr gewöhnt haben. Ein Teil trat den Rückflug nach Kapstadt an und erlebte dort (so wurde uns berichtet) erst einmal einen Temperaturschock.

Für Sepp, Johannes, Sverrir und Katja kam am Wochenende nach über drei Wochen Verzögerung endlich die erlösende Nachricht: der Weiterreise zum neuen Bohrort „Cofi 2“ stand nichts mehr im Weg. Dort werden die Vier etwa eine Woche vollkommen auf sich allein gestellt sein, ohne all den überschätzten Luxus einer Dusche oder kuschelig warmer Räume zum Relaxen. Stattdessen heißt es Bohren, Bohren und nochmal Bohren… hoffentlich kein Temperaturschock der anderen Art!

Sverrir, Sepp, Johannes und Katja - das CoFi Team

Sverrir, Sepp, Johannes und Katja – das CoFi Team

Erlöst wurden auch das Limpics-Team und die neue Polar 6-Crew, die einige Tage warten mussten, ehe das Wetter einen Flug zur Kohnen-Station ermöglichte. Doch inzwischen sind alle wohlbehalten angekommen und wir sehen den verbleibenden 2,5 Wochen gespannt entgegen.

Die Bohr- und Forschungsarbeiten sowie die täglichen Pflichten wie das Füllen der Schneeschmelze gehen ihren eingespielten Gang und auch die etablierte Samstagsparty findet nach wie vor statt. Das Highlight diesmal waren kleine Splitter eines Eisbohrkerns aus über 100 Metern Tiefe. Martin und Philipp hatten nach erfolgreichem Abschluss von B48 noch einen extra Meter Eiskern gebohrt. Mit diesem „Partykern“ konnten wir uns erfrischende Getränke zubereiten. Mit dem knapp 1200 Jahre alten Eis war auch das ein ganz besonderes Erlebnis.